Im Herbstsemester 2014 finden folgende Veranstaltungen statt:
Christa Binswanger: (Un-)Doing Gender: Soziale und kulturelle (De-)Konstruktion von Geschlecht
Geschlechterforschung stellt immer wieder die Frage danach, was es in der heutigen Gesellschaft bedeutet, ein „Mann“ oder eine „Frau“ zu sein und welche Folgen für das eigene Handeln aus der jeweiligen Geschlechtszugehörigkeit abgeleitet werden. Bereits 1949 hat Simone de Beauvoir postuliert, dass wir nicht als Mann oder Frau geboren werden, sondern dazu gemacht werden. Bis heute wird in theoretischen Auseinandersetzungen der Gender Studies diskutiert, dass wir Geschlecht nicht nur „sind“, sondern Geschlecht auch permanent herstellen, in diesem Sinne Geschlecht also auch immer „tun“ und dabei von der Umgebung in unserem Tun verortet werden. So ist auch unser alltägliches Handeln mit einer geschlechtlichen Einordnung ständig konfrontiert, zugleich stellen wir in diesem Handeln Geschlecht selber her oder stellen es in Frage. Im Kurs bearbeiten wir in einem ersten Teil Grundlagentexte, welche diese Diskussion über die Konstruiertheit von Geschlecht und Geschlechterdifferenz geprägt haben (Beauvoir, Zimmerman/West, Gildemeister). Doch spielen neben Geschlecht immer auch andere Differenzen ‑ wie sexuelle Orientierung, Klasse und Ethnizität ‑ eine Rolle. In einem zweiten Teil setzen wir uns deshalb mit Texten auseinander, welche die Verschränkungen von Geschlecht mit sexueller Orientierung und Ethnizität als „Tun“ theoretisch fassen („doing sexuality“, „doing race“; Ferreira, Best, Woltersdorf). Und drittens stellt sich auch die Frage: Wenn Geschlecht dauernd „getan“ wird, kann dann dieses „doing gender“ auch verändert oder unterlassen werden und in ein „undoing gender“ übergehen (Kelan, Heintz/Nadai, Torr)?
Die Theorien verleiten insgesamt dazu, unser Alltagswissen über Geschlecht kritisch zu hinterfragen. Diese Reflexionen setzen wir in zwei Workshoptagen praktisch um. Unter der Anleitung der Dramaturgin, Filmemacherin und Schauspielerin Katarina Schröter, entwerfen die Studierenden eine Szene, in der Geschlecht (und ev. andere Differenzen) eine zentrale Rolle spielt. Diese Szenen werden an den Workshoptagen gespielt und variiert. So soll erfahrbar werden, was es bedeutet, eine Geschlechtsrolle einerseits zu haben, aber auch, diese zu „tun“. Dabei üben wir auch spielerisch ein, wie diese variiert oder gar durchbrochen werden kann.
Gudrun Sander / Ines Hartmann: Gender und Diversity Management
Die Veranstaltung verfolgt einen praxisorientierten Ansatz mit folgenden Fragestellungen:
• Welches sind die aktuellen Herausforderungen für Unternehmen und Organisationen im Bereich Gender und Diversity Management?
• Welche Strategien zu deren Bewältigung werden verfolgt?
• Welche gängigen Massnahmen und Instrumente sind verbreitet? Welche lösungsorientierten Ansätze werden mit welchen Erfolgen angewendet?
Ziel ist es, den Studierenden einen Einblick zu vermitteln in zentrale Herausforderungen, die Unternehmen heutzutage angesichts der aktuellen gesellschafts‑ und marktpolitischen Lage im Umgang mit einer vielfältigen Belegschaft und einer zunehmend heterogenen Kundschaft zu bewältigen haben. Anhand von Praxisfällen, welche die Studierenden selbst bearbeiten, erhöhen sie ihre berufsspezifischen Kompetenzen im Bereich Gender und Diversity Management und erhöhen ihre Reflexionsfähigkeit im Zusammenhang mit Managementfragen.
Der praxisorientierte Fokus wird auf den zu Grunde liegenden theoretischen Modellen und Strategien eingeführt und beleuchtet.
Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und der Internationalisierung des Arbeitsmarktes gewinnen diese Strategien der Personal‑ und Organisationsentwicklung zunehmend an Bedeutung. Die Diversity Mainstreaming‑Strategie und das Diversity‑Controlling als konkretes Umsetzungsinstrumentarium sind aktuell weit verbreitet. Die Studierenden erhalten einen Überblick über gängige Massnahmen, die im Zuge einer Diversity Mainstreaming‑Strategie eingesetzt werden können und stellen die Verbindung zum Diversity‑Controlling her.
Neben der Kategorie Geschlecht stehen eine Reihe weiterer Diversitätskategorien, die je nach organisationalem Kontext unterschiedlich konstruiert und bewertet werden; es sind dies z. B. die Dimensionen Alter, Kultur (Nationalität, Sprache), sexuelle Orientierung, physische und psychische Bedingtheit, Religion, etc. Die Studierenden vertiefen sich in ausgewählte Schwerpunkte und Fragestellungen und lernen praxistaugliche Instrumente kennen.
Einerseits erfolgt eine Auseinandersetzung mit bestehenden Massnahmen, ihren Einsatzbereichen und ihren Grenzen, andererseits sind die Studierenden gefordert, eigene Lösungsansätze aufgrund einer empirischen Zugangsweise eigenständig zu entwickeln.
Mark Terkessidis: Interkultur: Kulturelle Vielfalt in der Stadt entdecken
In den letzten Jahrzehnten sind die europäischen Städte deutlich heterogener geworden. Die Verfügbarkeit von „Welt“ via Medien, die Schnelligkeit von Reiseverbindungen, die Vervielfältigung von Lebensstilen und natürlich Migration und Mobilität haben dafür gesorgt, dass der urbane Alltag heute von einer Vielheit geprägt ist. Diese Diversität bedarf der Gestaltung, aber zunächst vor allem der Wahrnehmung. Insbesondere beim Thema Migration zeigt sich, dass die entstandene Heterogenität vorschnell unter normativen Gesichtspunkten bewertet wird – oft gilt Diversität als Störung im angeblichen Gleichgewicht der „europäischen Stadt“. Dabei existieren häufig kaum tatsächliche Erfahrungen mit der Vielheit in der Stadt. Die verbreitete normative und häufig auch nostalgische Perspektive lässt die reale Stadt nicht nur grundsätzlich als mangelhaft erscheinen, sondern bringt sie in ihrem aktuellen Alltag regelrecht zum Verschwinden. Man braucht im Grunde gar nicht mehr hinzuschauen. Doch was würden wir sehen, wenn wir der Stadt einen weniger voreingenommenen Blick zuwerfen? Einen Blick, der ein Sensorium besitzt für Schwellen, Bewegungen und Ambivalenzen. Ein Blick, der forscht und „lernt“ im gleichen Sinne wie Robert Venturi, Denise Scott‑Brown und Steven Izenour vom scheinbaren Abfalleimer der US‑Architektur, Las Vegas, gelernt haben. Zweifellos sind die Städte heute jenem Prozess unterworfen, den man gemeinhin Globalisierung nennt, was bedeutet: weniger ökonomische Sicherheit und Planungskontrolle, mehr Mobilität und Heterogenität. Dabei erweisen sich die Veränderungen jedoch keineswegs als ausschließlich negativ, sondern als höchst widersprüchlich. In diesem Sinne soll der Kurs die tatsächliche Erfahrung von St. Gallen als einer interkulturellen Stadt in den Vordergrund stellen und dabei ein Verständnis der lebendigen urbanen Vielheit ermöglichen.
Suna Yamaner: Kommunikation und Konflikt: Geschlechtsspezifische und interkulturelle
Aspekte
Das generelle Ziel dieses Seminars ist es aufzuzeigen, wie die gesprochene Sprache (Wortwahl, Formulierungen) Hierarchien unter den GesprächspartnerInnen etablieren kann, wie diese sog. Dominanzstrategien geschlechterspezifisch und interkulturell angewendet werden und wie sie in gleichwertige und respektvolle Kommunikationsstrategien transformiert werden können.
Auf der Basis der Non‑violent Communication nach Dr. M. Rosenberg wird das eigene Kommunikationsverhalten analysiert. Insbesondere werden statische Kommunikationsmuster (Labeling u.a.) im geschlechts‑ und kulturabhängigen Kontext, Selbstkonzepte und Erklärungsmodelle für menschliches Verhalten (Stereotypisierungen) auf ihre Auswirkungen auf die Beziehungsgestaltung hin untersucht. Dabei wird auch eingeübt, wie über Dialoge festgefahrene (Vor‑)Urteile mit dynamischen Umformulierungen aufgeweicht werden können. Folgende Inhalte bilden bei diesem Seminar die Schwerpunkte:
• Wie gestaltet Sprache Beziehungen?
• Gewaltfreie Haltung und Zivilcourage
• Dominanzkultur – partnerschaftliche Kultur
• Sprachliche Manipulationen, ihre genderspezifischen Anwendungen und Auswirkungen
• Strategien zur Transformation von hierarchisierenden Manipulationen in gleichwertige Strategien
• Empathie und Selbstempathie
• Umgang mit Konflikten im interkulturellen oder genderspezifischen Kontext
• Praxistransfer durch Rollenspiele und Fallbearbeitungen
Nils Jent / Regula Dietsche: Ability Management Das Integrations/Inklusionsdilemma von Menschen mit Behinderung in Gesellschaft und Wirtschaft
Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und den damit verbundenen gesellschaftlichen Herausforderungen in Bezug auf die Sozialstrukturen gewinnt Ability Management gerade auch in Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Die Studierenden erhalten einen Überblick, wie Inklusion von Mitarbeitenden mit einer Behinderung erfolgreich gelingen kann. Im Zentrum steht der notwendige Paradigmawandel im (Dis)Ability Management. Dieser Wandel bedingt eine konsequente Ressourcenorientierung, welche die hinderliche Verknüpfung von Gleichwertigkeit und Gleichartigkeit aufhebt sowie soziale und ökonomische Ziele verbindet.
Die Veranstaltung verfolgt einen praxisorientierten Ansatz mit folgenden Fragestellungen:
• Wie kann ein Perspektivenwechsel bei den Phänomenen im Zusammenhang mit Behinderung gedacht und umgesetzt werden?
• Welches sind die aktuellen Herausforderungen für die unterschiedlichen sozialen Systeme, Unternehmen, öffentliche Hand, Gesamtgesellschaft sowie Familie, im Bereich Ability Management?
• Welche Strategien werden zur Bewältigung der Herausforderungen verfolgt?
• Welche gängigen Stereotypen und Haltungen sollen hinterfragt werden? Welche lösungsorientierten Ansätze und welche Innovationsfaktoren werden mit welchen Erfolgen eingesetzt?
Ziel dieser Lehrveranstaltung ist, dass sich die Studierenden mit den zentralen Herausforderungen auseinandersetzen, welche die verschiedenen sozialen Systeme ‑ Unternehmen, öffentliche Hand, Gesamtgesellschaft und Familie ‑ heutzutage angesichts der aktuellen gesellschafts‑ und marktpolitischen Lage im Umgang mit der verkörperten menschlichen Vielfalt zu bewältigen haben.
Anhand von Praxisfällen, welche die Studierenden selbst bearbeiten, erhöhen sie ihre berufsspezifischen Kompetenzen im Bereich Ability Management und verstärken ihre Reflexionsfähigkeit im Zusammenhang mit Management‑ sowie Gesellschaftsfragen.
Gabriele Schambach: Orte der Vielfalt. Gender & Diversity im öffentlichen Raum
Öffentliche Räume ermöglichen ein Zusammentreffen von Menschen zum Austausch, Diskussion, Interessensbekundung, Meinungsbildung, Handel etc. Konzeptionell gedacht als Orte freien Zugangs für alle gelten sie als ein wesentliches Element demokratischer Gesellschaften.
In der Umsetzung existieren jedoch einerseits Barrieren, die es Menschen unmöglich machen, an öffentlichen Räumen zu partizipieren. Andererseits haben Menschen unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen hinsichtlich der (Aus‑)Gestaltung und Nutzung dieser Orte.
Um Teilhabe zu ermöglichen, die die Verschiedenheit der Nutzerinnen und Nutzer berücksichtigt, muss nach Geschlecht, Alter, ethnisch‑kultureller Hintergrund, sexuelle Orientierung, körperliche Ausstattung etc. sowie Erwerbs‑ und Familientätigkeit, Mobilitätsverhalten, sozialer Situation etc. unterschieden werden. Hieraus ergeben sich ganz unterschiedliche Anforderungen an die bebaute und unbebaute Umwelt.
Im Seminar werden wir untersuchen:
• Welche Rolle spielen Gender‑Diversity‑Kategorien in öffentlichen Räumen? Woran sind sie erkennbar? Welche Auswirkungen haben sie?
• Welche guten gender‑ und diversityorientierten Beispiele gibt es in der Gestaltung und Nutzung öffentlicher Räume (in St. Gallen)? Warum sind diese als gute Beispiele zu beurteilen? Worin unterscheiden sie sich von anderen Räumen?
• Welche Maßnahmen, Instrumente, Kompetenzen etc. sind notwendig um städtische und ländliche Räume gender‑ und diversitygerecht zu entwickeln?